Wer braucht schon Datenschutz?!

Kommentar...

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Datenschutz ist in Zeiten der Informationsgesellschaft so überkommen wie der Glaube, dass eine lückenlose Totalüberwachung von Bürgern der Sicherheit dient. Und wer trägt die Schuld an der Misere? SIE liebe Leser...
Datenschutz ist in Zeiten der Informationsgesellschaft so überkommen wie der Glaube, dass eine lückenlose Totalüberwachung von Bürgern der Sicherheit dient. Und wer trägt die Schuld an der Misere? SIE liebe Leser...

[Ein Kommentar von Tobias Eichner, tobias@14all.eu]

Ich bin wütend! Verdammt wütend!

Ich bin wütend… auf SIE! Ja, genau Sie. Die bequem vor dem Bildschirm sitzen, diesen Kommentar lesen und sich fragen, ob der Schreiber noch alle seine personenbezogenen Daten im Schrank hat.

Datenschutz – niemand interessiert es wirklich

Warum ich so ungehalten reagiere? Weil mich diese ganze Diskussion um Privatsphäre, Datenschutz, digitale Menschenrechte und all den anderen Kram langsam aufregt. Wir alle reden ständig darüber, diskutieren und sind uns im Grunde einig, wie wichtig Datenschutz ist – aber nichts tut sich. Ganz im Gegenteil.

Okay, Europa hat seine Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) bekommen. Dieses Gesetzesmonster mit dem euphemistisch klingenden Namen, das kleinen Unternehmen unnötig das Leben schwer macht und welches Großkonzerne hingegen dank findiger Tricks ad absurdum führen.

Und der Staat, der sich explizit von der DSGVO ausnimmt. Gut nachzulesen im Artikel 2 Abs. 2 der DSGVO (letzte Fassung vom 4.3.2021). Dort heißt es nämlich…

Diese Verordnung findet keine Anwendung auf die Verarbeitung personenbezogener Daten […]

durch die Mitgliedstaaten im Rahmen von Tätigkeiten, die in den Anwendungsbereich von Titel V Kapitel 2 EUV fallen. 1]

durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung, einschließlich des Schutzes vor und der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit.

1] Anmerkung: darin geht es um die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU.

In diesem Kontext ist die DSGVO nichts weiter als Blendwerk…

Datenschutz ja, aber bitte nicht für den all überwachenden Vater Staat. <Sarkasmus>Nun gut. Wir wollen ja nicht von Taschendieben Terroristen überrannt werden. </Sarkasmus>

Gefühlt ereignet sich jede Woche ein neuer Datenschutz-Skandal, sei es durch Hackerangriffe oder Schlamperei von Behörden. Wir haben uns daran schon so gewöhnt, dass man es als gegeben hinnimmt und sich der Tragweite eines solchen Vorfalls gar nicht mehr bewusst ist: Da gingen eben ein paar Hunderttausend Datensätze verloren? Was soll’s, die finden sich schon wieder. Daten vergehen ja nicht.

Aber wie gesagt (oder vielmehr geschrieben) – SIE tragen die volle Verantwortung!

Naja, also zugegeben. Ich bin mir nicht sicher, ob speziell Sie zu diesem Personenkreis gehören. Aber die anderen Internet-Nutzer schon. Bestimmt.

Vor allem jene die mit ihrer Gratis-Manie alles kostenlos nutzen wollen, dafür mit persönlichen Daten bezahlen und im Grunde gar nicht wissen, wie sie von den Datenkraken des Internets ausgesaugt werden.

Dann wäre da noch die größte Gefahr zu nennen: Unfähige, profilierungssüchtige Politiker mit wirren Ideen hinsichtlich „Terrorabwehr“ (das von mir meistgehasste Buzzword in Wahlkampfzeiten). Frei nach dem Motto „Wir überwachen erst einmal jeden, Sicherheit geht vor, Privatsphäre war gestern!“.

Der Leitsatz „Unschuldig bis die Schuld bewiesen ist!“ – er zählt für diese Marodeure freiheitlicher Gesellschaftsformen schon längst nichts mehr.

Wie lange dauert es wohl noch, bis Mautbrücken Ladendiebe fangen und ein Sondereinsatzkommando der Polizei dank lückenloser Kameraüberwachung Schwarzfahrer festnimmt!? Wäre das verhältnismäßig? Wollen wir in einem solchen Land leben? Ich ganz bestimmt nicht.

Aber hey, alles okay!

Doch es gibt genügend, die sich wenig darum scheren. Besonders diejenigen, die – sozusagen in vorauseilendem Gehorsam – freiwillig ihre Wohnungen verwanzen:

Persönliche Assistenten – also mit dem Netz verbundene und mit Mikrofonen ausgestattete Kommunikationseinheiten, in der Lage, ganze Räume dauerhaft zu überwachen. Jeder Piep wird kreuz und quer durch das Internet versendet und dann von internationalen Großkonzernen (und wer weiß, von wem noch) ausgewertet.

„Susi, wie wird das Wetter?“, „Susi, schreib bitte Mehl auf die Einkaufsliste.“, „Susi, was bedeutet ‚Datenschutz‘?“ – zumindest auf letztere Frage ahne ich die Antwort aus den Untiefen der künstlichen Intelligenz: „Das verstehe ich leider nicht.“…

Solange wir für ein paar fragwürdige Annehmlichkeiten und halbgare Dienstleistungen unsere virtuellen Hosen runterlassen und alle möglichen personenbezogenen Daten bereitwillig zur Verfügung stellen, dürfte sich nichts ändern: Datenschutz existiert nicht!

Es mag Gesetze wie die Datenschutz-Grundverordnung geben. Und vielleicht bieten sie sogar ein wenig Schutz. Doch es gibt keine Vorschriften gegen menschliche Dummheit.

Das Ende vom Lied

Datenschutz existiert auf dem Papier, das ist geduldig. Einige wenige Unternehmen praktizieren ihn und zahlen drauf. Erfolg hat in der Informationsgesellschaft nicht derjenige, der Vorschriften zum Datenschutz beachtet, sondern der weiß, wie er sie geschickt umgehen kann.

Was aktuell passiert ist alarmierend, doch die technische Entwicklung lässt sich nicht aufhalten – und was möglich ist, wird irgendwann auch getan.

Aber aufgeben gilt nicht. Wir sind Teil des Problems und Teil der Lösung. Wehren wir uns endlich:

Mit technischen Mitteln wie durch politische Aktionen. Man muss nur wollen. Es wird Zeit, dass die Internet-Nutzer ihre Privatsphäre selbst in die Hand nehmen!

Meine Daten gehören mir! Das sage ich allen Konzernen, Behörden und wer sich sonst noch dafür interessieren sollte. Jetzt müssen Taten folgen…


Autor: Tobias Eichner | Datum der Veröffentlichung: April 2018 | Letzte Aktualisierung: März 2023 (05/2021)
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